In wenigen Wochen wird Brad Binder die Frage beantworten können, die vielen Rennfans unter den Nägeln brennt: Wie fühlt es sich eigentlich an, einem MotoGP™-Werksmotorrad die Sporen zu geben?! Der Südafrikaner über drei Strategien, mit denen er sich auf die Herausforderung vorbereitet …
Red Bull KTM MotoGP™-Teams werden in der Saison 2020 zwei Rookies an den Start bringen: Zusammen bringen es Brad Binder und Iker Lecuona gerade mal auf 43 Jahre. Binder bringt einen Moto3™-Weltmeistertitel und fünfzehn Grand-Prix-Siege in zwei Kategorien mit – einschließlich fünf Moto2™-Siegen im letzten Jahr.
Seine Chance, in der MotoGP™ an den Start zu gehen, verdankt der Südafrikaner seinen Ergebnissen, seiner Mentalität und seinem aggressiven Fahrstil. Insider im Fahrerlager trauen ihm damit einiges zu auf einer RC16, mit der Pol Espargaró im Jahr 2019 100 Weltmeisterschaftspunkte erkämpft hat.
Binder konnte das KTM-Werksmotorrad zum ersten Mal beim Sommertest in der Tschechischen Republik testen. Seine Rundenzeiten auf der Strecke von Brünn könnten ein Vorgeschmack darauf sein, was wir von ihm 2020 sehen werden. Bei den MotoGP™-Tests in Valencia und Jerez konnte die neue Nummer 33 sich noch enger mit der 350-km/h-Rakete anfreunden.
Nach bereits acht Jahren in der FIM-Weltmeisterschaft ist Binder so etwas wie ein ‚Veteran‘ des Sports. Brad, der zwischen Dubai und Spanien hin- und herpendelt, fokussierte sich auf die Verbesserung in drei Bereichen, um es mit den Geschwindigkeiten, der Power und den besten Fahrern der Welt aufnehmen zu können.
DER KÖRPERLICHE ASPEKT
„In Brünn fuhr ich das MotoGP™-Bike letzten Sommer zum ersten Mal und stellte sofort fest, dass es viel stärker auf die Unterarme geht, und auch, dass meine Herzfrequenz viel höher ist als in der Moto2™. Ich glaube, dass meine neue Rolle körperlich viel anstrengender wird, aber daran muss ich mich eben gewöhnen.“
„Ich möchte mir etwas mehr Muskelmasse antrainieren, denn etwas mehr Kraft kann dieses Jahr nicht schaden. Es versteht sich von selbst, dass das Körpergewicht in der Moto3™ und Moto2™ eine große Rolle spielt. Ehrlich gesagt lege ich aber nur schwer Gewicht zu. Das hat wahrscheinlich viel mit meinem ausgedehnten Ausdauertraining zu tun, aber auch mit meiner Ernährung. Normalerweise bin ich im Februar, zu Beginn der Saison, am schwersten: Ich beginne die Saison immer gerne so, weil die Pfunde dann sowieso purzeln, sobald die Rennen beginnen.“
„Ich mache mir nicht so viel Sorgen um das Training, da ich es ohnehin sehr ernst nehme und hart arbeite. Ich liebe es, mit dem Rad zu fahren. Ich übertreibe es dabei nicht so wie andere Fahrer, genieße es aber, mich auf meinen Drahtesel zu schwingen, und wechsle oft zwischen dem Straßen- und dem Enduro-Bike. Ich fahre dann Downhill-Strecken und strample dann wieder bergauf. Ich trainiere mindestens genauso viel wie alle anderen und kann mich vom körperlichen Aspekt her glücklich schätzen, da ich mich am Ende eines Rennens immer noch topfit fühle, was man von meinen Konkurrenten oft nicht behaupten kann. Das wird dieses Jahr aber sicher anders! Dann fahre ich ja mit der absoluten Elite.“
Ich hatte über die Jahre mit verschiedenen Trainern zu tun und seit kurzem arbeitete ich mit dem Mann, der auch andere MotoGP™ Fahrer trainiert hat. Der hat mir schon so manchen guten Tipp gegeben. Ich versuche, so viel wie möglich zu lernen und ein Programm auszuarbeiten, das zu mir passt. Ich bin mir sicher, dass ich Verbesserungspotential habe. Ich habe schon mit Pit [Beirer, KTM Motorsport Director] darüber gesprochen, mit Aldon Baker [dem berühmten Supercross-/Motocross-Trainer aus Südafrika] zu trainieren und ich denke, dass wir es irgendwann machen werden. Ich war kürzlich mit den anderen [Fahrern] im Red Bull Diagnostic Training Center und das hat mir die Augen geöffnet. Es ist beeindruckend, wie sie Pläne bis ins kleinste Detail erstellen können.“
DIE FAHRTECHNIK
„Ich muss das Ding einfach noch öfter fahren!“
„In Brünn habe ich eigentlich nur ‚erste Gehversuche‘ gemacht. Ich muss noch viel lernen, denke aber lieber nicht zu viel darüber nach. Wenn man zu viel nachdenkt oder bestimmte Erwartungen hat, die dann nicht in Erfüllung gehen, ist das Ergebnis immer negativ. Es ist besser, Dinge auszuprobieren und herauszufinden, wo man etwas ändern muss.“
„In der MotoGP™ muss man offen sein. Und Dinge der Reihe nach tun. Natürlich kann man auch versuchen, sich Hals über Kopf ins neue Abenteuer zu stürzen. Das kann einen aber auch in den Wahnsinn treiben. Ich habe im Jahr 2019 enorme Fortschritte bei meinem Fahrstil gemacht. Die Moto2™ war anfangs schwer, besonders aufgrund meines Arms, den ich sechs Monate lang nicht so richtig benutzen konnte. Erst, als er wieder einigermaßen in Ordnung war, fand ich zu meinem Rhythmus.“
„Die Elektronik wird sicher eine wichtige Rolle spielen und damit muss ich mich erst anfreunden. Ich muss das richtige Setup finden und lernen, wie man die Reifen schont – darum muss man sich in der Moto2™ nicht so stark kümmern. Dort heißt das Motto Vollgas vom Start bis ins Ziel. Letztes Jahr hatten wir auch in der Moto2™ mehr Elektronik zur Verfügung. Um ehrlich zu sein, weiß ich darüber aber nicht viel. Ich schaltete sie einfach ab!“
DIE RICHTIGE EINSTELLUNG ZÄHLT
„Vor allem will ich es anders machen als früher und nicht mehr versuchen, alles gleichzeitig zu tun. Das führte nur zu Verletzungen, wenn ich zu früh zu viel wollte. Ich muss noch viel testen und das Beste daraus machen.“
„Ich weiß, dass ich aus den hinteren Reihen starten werde – besonders im Vergleich zu meinen Moto2™-Resultaten. Im Ziel werde ich aber sicher nicht mehr hinten sein. Ich glaube daran, dass man sich mit harter Arbeit immer verbessern kann, und danach richte ich mich schon meine ganze Karriere hindurch. Am Anfang gehörte ich nie zu den Schnellsten…am Ende aber hatte ich die Nase vorn.“
„Ich bin zwar echt kein geduldiger Mensch, glaube aber, dass man danach streben sollte, besser zu werden. Wenn du dir nur deine Ergebnisse ansiehst, drehst du durch. Wenn du dir aber stattdessen jeden Tag kleine Ziele steckst und versuchst, diese zu erreichen, wirst du am Ende ganz oben stehen. Es ist eigentlich ganz simpel: Ich fahre, teile meinem Team mit, was ich denke, und das Team erledigt den Rest. In Wirklichkeit wird es natürlich hunderte Male komplizierter werden … ich möchte die Dinge aber einfach halten, um gute Arbeit leisten zu können.“
„Ich kann es kaum erwarten, mir mit all diesen weltbekannten Fahrern eine Strecke zu teilen. Das wird sicher fantastisch. Als Kind habe ich vor dem Fernseher Rossi angefeuert, weil auch mein Vater ein Fan war. Da wusste ich noch gar nicht, was die MotoGP™ ist. Mit diesen Legenden des Sports am Start zu stehen, wird deshalb sicher ein unglaubliches Gefühl sein.“
„Ich bin ein recht entspannter Typ – die zusätzlichen Aufgaben eines Werksfahrers sollten mir also keine großen Probleme bereiten. Ich werde mehr Aufmerksamkeit bekommen, besonders zu Hause. Wenn ich nach Südafrika zurückfliege, muss ich immer erst mal eine Woche lang jeden Tag Medienarbeit verrichten, aber das gehört wohl dazu!“